
Wir, die Enkel und nun auch schon die Urenkel sind natürlich an einer Klarstellung der Ereignisse von 1945 interessiert, die unserem Großvater widerfuhren.
Der Grund, weshalb ich mich an das „Klotzscher Heideblatt“ wandte, war eine möglichst zeitnahe Richtigstellung zu der Veröffentlichung in der Broschüre „Spurensuche in Klotzsche“ Band 7 (1. Auflage 2023), die meinen Großvater Erst Warmuth (Bahnhofsvorsteher des Bahnhofs Klotzsche von 1945) betraf. Der Autor (Dietmar Schreier) brachte in einem Artikel zur Nesselgrundbrücke in Klotzsche meinen Großvater mit der Sprengung der Brücke am 8. Mai 1945 in Verbindung. Er schrieb, dass mein Großvater wegen der Sprengung verhaftet und auch diesbezüglich durch Erschießen vom sowjetischen Militärtribunal der 8. Gardearmee hingerichtet wurde. Als Quellen seiner Behauptung verwendete er den im Amtsblatt Ottendorf-Okrilla vom Dezember 2019, S. 7 veröffentlichten Bericht zur Eisenbahn des Ottendorfer Chronisten Werner Junitz und die Kurzbiographie zu meinem Großvater aus dem Buch „Todesurteile sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche 1944–1947“, das im Jahr 2015 im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen erschien.
Ich erfuhr erst Anfang des Jahres 2023 von der Existenz dieser Veröffentlichung der Todesurteile der Roten Armee und dass mein Großvater mit der folgenden Kurzbiographie in diesem Buch genannt wurde:
Ernst Warmuth
Geb. am 21.9.1887 in Mallwitz (Kreis Sprottau in Schlesien), wohnhaft in Klotzsche (Sachsen), von Beruf Drogist und Reichsbahnoberinspektor,
tätig als Bahnhofsvorsteher in Klotzsche. Er wurde am 18.6.1945 festgenommen und am 11.8.1945 aufgrund Art. 58-2 des Strafgesetzbuches
der RSFSR vom SMT der 8 Gardearmee zum Tode durch Erschießen verurteilt. Vorwurf: Kriegsverbrechen.
Das Urteil wurde am 13.8.1945 vollstreckt. Die GWP rehabilitierte ihn am 17.10.2001.
Unsere Familie hatte bis dahin keinerlei Kenntnisse über den Verbleib meines Großvaters. Mein Vater stellte 1963 einen Antrag, ihn für tot zu erklären, was von den DDR-Behörden 1964 rückwirkend zum 31.12.1950 erfolgte.
Im oben genannten Buch wurde aber auch vermerkt, dass Familienangehörige, die ggf. zum ersten Mal konkret von der Verurteilung erfuhren, sich an die Dokumentationsstelle Dresden wenden sollten, wenn sie weitere Informationen wünschten. Mich interessierte in diesem Zusammenhang vor allem, wer die GWP ist, die die Rehabilitierung veranlasst hatte. Über das „Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung“ (HAIT) gelangte ich zur „Stiftung Sächsischer Gedenkstätten“ (STSG). Letztere ist als Auskunftsstelle für die Beratung und Betreuung der Rehabilitierungsverfahren nach dem russischen Rehabilitierungsgesetz und bearbeitet das Projekt „Verurteilte sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden“. Die Rehabilitierungsbescheinigung, ausgestellt von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation (GWP), erhielt ich von der STSG.
Die Bearbeiter und Herausgeber der Dokumentationen sind umgekehrt auch daran interessiert, ergänzendes Material verurteilter Angehöriger zu erhalten, um weitere Forschungen und Schicksalsklärungen möglich zu machen. In der jüngeren Vergangenheit konnten Angehörige die STSG mit einer notariell beglaubigten Vollmacht zur Akteneinsicht im Zentralarchiv Moskau (FSB) beauftragen. Das war aber wegen des Ukrainekrieges im Jahr 2023 nicht mehr möglich. Wir wählten deshalb in Zusammenarbeit mit dem STSG zwei postalische Anfrage im FSB, die Erfolg hatten. Mir wurden Kopien der Strafakte (Verhörprotokolle, Verurteilungsprotokoll) und ein Gutachten vom 17.10.2001 der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation über die Russische Botschaft in Berlin zugesandt. Das Gutachten wurde als Grundlage der Rehabilitierung verwendet. Laut dem Ergebnis des Verfahrens der Rehabilitierung war das 1945 verhängte Urteil politisch motiviert und wurde in der Strafhöhe selbst von russischer Seite offensichtlich als unverhältnismäßig und unberechtigt streng angesehen.
Aus den Verhörprotokollen und dem Urteil ist zu entnehmen, dass die Sprengung der Nesselgrundbrücke weder der Grund der Verhaftung noch jemals im Strafverfahren genannt wurde.
Der Bericht im Ottendorfer Amtsblatt zeigt jedoch, wie verfestigt sich ein Gerücht bzw. eine Vermutung in der öffentlichen Meinung über Jahrzehnte offensichtlich auf Grund der damaligen zeitlichen Nähe von Brückensprengung und Verhaftung meines Großvaters bis heute hält. Einen Beweis, dass mein Großvater etwas mit der Sprengung der Nesselgrundbrücke zu tun gehabt hätte und deshalb von der Roten Armee verhaftet worden sei, gab es jedoch nicht. Allein aus der Kombination des „Ottendorfer Amtsblattberichtes“ und der Kurzbiographie im Buch „Todesurteile …“ ließ Herr Schreier in seiner Broschüre nun die Vermutung einer Beteiligung meines Großvaters an der Sprengung unbewiesen zur Tat und Verurteilung werden. Gegen diese nachträgliche „Verurteilung“ in der „Spurensuche …, Band 7“ habe ich mich in Absprache mit meinen Geschwistern, Cousinen und Cousins gewehrt und von Herrn Schreier die Streichung dieses Artikelteils sowie zeitnah eine Klar- bzw. Richtigstellung verlangt. Der Artikelabschnitt wurde inzwischen gestrichen. Zusammen mit dem Hille-Verlag wurden soweit wie möglich die noch nicht verkauften Exemplare zurückgezogen. Auch alle Exemplare, die in den Nationalbibliotheken Leipzig und Frankfurt / Main sowie in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) im Bestand erfasst wurden, sind mit einem Neudruck der 1. Auflage getauscht worden.
Nicht erreicht werden jedoch alle Leser der Broschüre, die diese vor dem Neudruck im Oktober 2024 erworben haben. Wir Enkel unseres Großvaters gehen davon aus, dass es sich dabei vorwiegend um Interessenten für die Broschüren aus Klotzsche und näherer Umgebung handeln dürfte. Deshalb auch unser Vorschlag an Herrn Schreier, zeitnah eine Richtigstellung ggf. bevorzugt im örtlichen Klotzscher Heideblatt zu positionieren.
Bezüglich einer Richtigstellung äußerte sich jedoch Herr Schreier, eine solche nur in einem folgenden Band 9 seiner Spurensuche vorzunehmen, soweit er überhaupt einen weiteren Band nochmals herausgeben würde. Unseren Vorschlag der Veröffentlichung des Widerrufs zeitnah im „Klotzscher Heideblatt“ lehnte er jedoch ab. Da unklar blieb, ob Herr Schreier jemals einen Widerruf drucken würde, nahm ich zwischenzeitlich mit Ihnen Kontakt auf, um ggf. selbst in einer Ihrer nächsten Auflage eine Richtigstellung vorzunehmen.
Richtig- und Klarstellung
In der 1. Auflage 2023 der Broschüre „Spurensuche in Klotzsche Band 7“ von Dietmar Schreier, die bis einschließlich Oktober 2024 zum Verkauf stand, wurde im Artikel
„Eine bekannte und eine fast vergessene Brücke“ auf Seite 37 mein Großvater Reichsbahnoberinspektor Erst Emil Arthur Warmuth, 1945 Bahnhofsvorsteher des Bahnhofs Klotzsche, mit der Sprengung der Nesselgrundbrücke in Klotzsche am 8. Mai 1945 in Verbindung gebracht. Der Autor schrieb, dass mein Großvater wegen der Sprengung verhaftet und auch diesbezüglich durch Erschießen vom sowjetischen Militärtribunal der 8. Gardearmee hingerichtet wurde.
Die Darstellung der Verhaftung und Verurteilung meine Großvaters in Verbindung mit der Brückensprengung ist falsch.
Zusammen mit der „Stiftung Sächsischer Gedenkstätten“ (STSG) wurden von mir in den Jahren 2023/24 zwei Auskunftsersuche beim Zentralarchiv Moskau zur Prozessakte gestellt, die Erfolg hatten. Übermittelt wurden u. a. Kopien von Verhörprotokollen und ein Verurteilungsprotokoll der Strafakte sowie ein Gutachten vom 17.10.2001 der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation. Aus den Verhörprotokollen geht nicht hervor, dass mein Großvater mit der Sprengung der Eisenbahnbrücke am Nesselgrund Klotzsche etwas zu tun hatte. Die Sprengung war weder Grund der Festnahme noch Gegenstand des Strafprozesses durch das sowjetischen Militärtribunal der 8. Gardearmee. Das Gutachten vom 17.10.2001 war Grundlage der Rehabilitierung. Laut dem Ergebnis des Verfahrens der Rehabilitierung war das 1945 verhängte Urteil politisch motiviert und wurde in der Strafhöhe selbst von russischer Seite offensichtlich als unverhältnismäßig und unberechtigt streng angesehen.
Inzwischen wurde der Artikelteil, der meinen Großvater betraf, aus der Broschüre Spurensuche entfernt und ein korrigierter Nachdruck der 1. Auflage von 2023 gefertigt.
Antworten