
Die Sanierung eines alten Bahnhofs sorgt für viele große und kleine Geschichten. Nicht jeder schönen Wand sieht man an, wieviel Handwerkskunst dahinter steckt. In den folgenden Zeilen sollen allerdings nicht die aufwändige Sanierung und die unangenehmen Überraschungen dabei eine Rolle spielen, sondern die Rolle des Klotzscher Bahnhofs in literarischen Zitaten. Diese stehen für die vielen Geschichten, die sich an einem Bahnhof ereignen: Abschied und Ankommen – nur für den Arbeitsweg oder auch für immer. Gerade in Klotzsche zeigen diese sehr schön die Geschichte des Stadtteils, der Stadt und des Landes. Die drei prominentesten Zitate haben wir in der Unterführung angebracht und sind dankbar, dass die Deutsche Bahn dies gestattete.
Das erste Zitat enthält die Zeitungsnotiz zur Eröffnung des neuen Bahnhofs:
Dresdner Heide-Zeitung vom 7. April 1908
„Am letzten Sonntag wurden von Dresdener Bahnhöfen nach den Heidestationen 2000 und von Klotzsche nach Dresden 1000 Fahrkarten verkauft.
Die Inbetriebnahme des neuen Empfangsgebäudes ist am 6. April früh 5 Uhr mit Zug 642 erfolgt.
Am gestrigen Montag wurde unser neues Bahnhofsgebäude in Betrieb genommen. Das Innere wie auch das Äußere dieses Baues ist in jener vornehmen Einfachheit gehalten, die den Aufenthalt in einem Raum, in dem man längere Zeit zu verweilen hat, angenehm macht.
Das kann für gewöhnlich von den öffentlichen Gebäuden, wo einem nur öde Wände entgegengähnen, nicht gesagt werden. Beim Eintritt durch das Hauptportal gelangt man in die ziemlich geräumige Bahnhofshalle. Rechter Hand befinden sich die vornehm ausgestatteten Warteräume mit Restaurationsbetrieb, die die Gebr. Selle in Pacht genommen haben, sowie ein besonderer Warteraum für Frauen und Kinder; linker Hand führt ein Quergang zum Bahnsteig. Die Längsseite wird von dem Telegraphenzimmer, den Fahrkartenschaltern und dem Gepäckschalter eingenommen.
Die Zeichnung des Baues hat das Kgl. Eisenbahn-Hochbaubureau Dresden geliefert. Die Bauleitung lag in den Händen des Finanz- und Baurats Pilz von der Bauinspektion Dresden-Neustadt I. Von hiesigen Geschäftsleuten waren an der Bauausführung beschäftigt: Architekt Otto, Baumeister Wagenbreth, Tischlermeister Traummann, Klempnermeister Geißler, Dachdeckermeister Bürger und Malermeister Kahle.
Als Beleuchtung ist das Gebäude mit dem sogenannten Auerlicht ausgestattet. Die bisherigen alten Dienstgebäude werden umgebaut und architektonisch sowie dekorativ dem neuen Gebäude angepaßt, sodaß unser Bahnhof von Grund aus ein anderes, freundliches Aussehen erhält.“
Das zweite Zitat fanden wir in den Memoiren des jüngsten Sohnes des letzten sächsischen Königs: Prinz Ernst Heinrich von Sachsen „Mein Lebensweg vom Königsschloss zum Bauernhof“, S.13:
Für die Sonntagsausflügler war es keineswegs eine Sensation, Ihren König in Zivil mitten unter sich Kaffee trinken zu sehen. Oft durchwanderte er die Dresdner Heide und fuhr dann von Klotzsche nach Dresden Neustädter Bahnhof, von wo er im Wagen zum Schloss fuhr. Als er einmal, Zigarre rauchend, auf dem Bahnhof in Klotzsche auf den Zug wartete, trat ein Herr auf ihn zu und bat ihn um Feuer. Es entspannt sich zwischen den beiden ein lebhaftes Gespräch, das, als der Zug in Sicht kam, mit einem herzlichen Auf Wiedersehen endete. Der Stationsvorsteher geleitete meinen Vater zu dem reservierten Abteil und fragte: „Wissen Eure Majestät auch, mit wem Euer Majestät eben gesprochen haben? Das war August Bebel, der Führer der Sozialdemokratischen Partei!“
Im dritten Zitat schildert Viktor Klemperer in seinen Tagebüchern sehr eindrücklich die Stimmung der letzten Kriegsmonate in Klotzsche, wo er das erste Mal seit Jahren sich traut, ohne Judenstern unterwegs zu sein.
In „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten: Tagebücher 1933-1945; steht zum 20. Februar 1945:
„Um Dreiviertel Sieben waren wir mit allen Papieren zurück im Fliegerhorst, um 19.10 Uhr sollte unser Zug vom Bahnhof Klotzsche abgehen, um 19.20 Uhr waren wir mit unserm Gepäck und trockenen Brotschnitten dort. Zug wird ausgerufen – unbestimmt wann!‹
Gedränge von Militär und Zivilisten. Wir aßen unser Brot. Um 20:30 Uhr etwa kam der Zug. Fahrt im Dunkeln mit endlosen Aufenthalten und unglaublichem Funkenflug der Maschine. Genau um Mitternacht in Kamenz.
Auch ein aktuelles Zitat gibts aus dem wunderbaren Buch „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“ von Jaroslav Rudis – mittlerweile in der 9. Auflage. Hier landet der Autor im „Bahnhofskapitel in Klotzsche“:
„Wenn ich in Deutschland Lust auf einen guten italienischen Kaffee am Bahnhof bekomme, brauche ich nur aus dem Zug von Zittau nach Dresden kurz vor der Endstation auszusteigen. Im Bahnhof Dresden-Klotzsche. Noch vor ein paar Jahren war er eine Ruine. Heute fühlt man sich in der Bio-Bahnhofswirtschaft wie in Italien. Und wie in Böhmen zugleich. Guter Kaffee, gutes Essen, gutes gepflegtes Bier. Und eine Terrasse direkt am Bahnsteig, wo man kurz mit den Lokführern plaudern kann, zum Beispiel mit meinem Freund Axel, der in Dresden mit der S-Bahn unterwegs ist und diesen Ort auch sehr mag. Die Lok hält direkt neben dem Biergarten, man hat immer Zeit für ein kurzes Gespräch vor der Abfahrt.“
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