65 Jahre Erstflug der 152 am 4. Dezember 2023

von Dipl.-Ing. Konrad Eulitz

 

1954 wurde in der DDR beschlossen, in Dresden eine neue Flugzeugindustrie zu gründen unter Leitung des erfahrenen Junkers-Konstrukteurs Brunolf Baade und der Luftfahrtspezialisten von Junkers, Heinkel, Arado, Siebel und anderen ehemaligen deutschen Flugzeugwerken. Diese Spezialisten deportierte die Regierung der UdSSR schon 1946 zum Aufbau und Wissensabschöpfung in die damalige UdSSR. Die letzten konnten dann 1954 zurückkehren.

 

Für das gigantische Vorhaben wurden Brunolf Baade zum Technikchef und Generalkonstrukteur sowie Fritz Freytag zum Chefkonstrukteur berufen, verantwortlich für einen ganzen Industriezweig mit sechs Standorten. Dresden war Entwicklungs- und Versuchswerk und zunächst separates Serienwerk für die 152 und Iljuschin 14. Die Triebwerke der 152 wurden in Pirna entwickelt und in Ludwigsfelde bei Berlin die Serie gebaut; ebenso in Karl-Marx-Stadt, heute wieder Chemnitz, die IL-14-Motoren und Hydraulikgeräte.

Schkeuditz lieferte die Innenausrüstungen und Leitwerke und das Werk Lommatzsch produzierte Segelflugzeuge und Leichtbaugruppen.

Mit der Gründung der ersten deutschen Flugzeugindustrie in der ehemaligen DDR entstand in Dresden eine riesige, mitreißende Aufbruchsstimmung. Aus dem Nichts mussten Verwaltungsgebäude, Labore, Werkstätten, Rollbahnen und ein Windkanal gestampft werden – und das neun Jahre nach Ende des fürchterlichen II. Weltkrieges. Diese Aufbruch-

stimmung war notwendig, um in kürzester Zeit zwei Riesenhallen zu bauen, die damals

als die größten freitragenden Hallen Europas galten. Die Halle 219, gedacht für die Baugruppenmontage des Passagierflugzeuges IL-14 P und des neu entwickelten ersten Düsenpassagierflugzeuges Deutschlands, die

152. Die Halle 222 als Montagehalle der in Gestattungsproduktion gefertigten IL-14 P und der neu entwickelten 152.

Diese Hallen sind immer noch Zeugnisse eines Industrieaufbruches in den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Entwicklungen für die 152 und das Triebwerk „Pirna 014“ hatten bereits 1954 begonnen.

Um die Belegschaft einarbeiten zu können und technologische Abläufe zu konzipieren, produzierten die Flugzeugwerker aus einer Gestattungsproduktion der UdSSR 80 Flugzeuge des Typs IL–14 P. Ein zweimotoriges Flugzeug, das mit maximal 36 Sitzplätzen oder als Transportmaschine angeboten wurde. So liefen viele Prozesse parallel ab, der Bau der Hallen und Ausrüstungen, die konstruktive und technologische Vorbereitung der 0-Serie der 152 und der Beginn der Serienfertigung der IL-14 P.

Für die DDR-Oberen war die Luftfahrtindustrie das Prestigeobjekt, um die Überlegenheit des sozialistischen Wirtschaftssystems zu beweisen. Nach größeren Problemen bei Entwicklung, Fertigung und Erprobung hatten sie das „Roll Out“ für den Vortag des 1. Mai 1958 terminiert. Letztlich war es gelungen, die 152/I V-1 dazu hallenfertig der Bodenerprobung zu übergeben und sie am 4.12.1958 zum Erstflug erfolgreich zu starten.

Auch wenn der zweite Flug der 152 I V1 am 4.3.1959 in der Absturzkatastrophe endete und dabei viele politische, strategische als auch fachliche Fehler gemacht worden sind, konnte das zweite technische Modell, die

152 II V4, ihre erfolgreichen Flüge im August und September 1960 mit den Piloten Gerhard Güttel und Heinz Lehmann gestartet werden.

Nach dem politischen und wirtschaftlichen Aus der Dresdner Vereinigten Flugzeugwerke und dem Totschweigen in der DDR blieb dieses Zeitgeschehen bei vielen Dresdnern und anderen immer als Erfolgsmodell in Erinnerung.

Aus unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Gründen musste auf Beschluss der DDR-Regierung im Frühjahr 1961 der Flugzeugbau eingestellt werden.

Die Industriebauten aber konnten durch die Nachfolgebetriebe der Vereinigten Flugzeugwerke Dresden, wie der VEB Flugzeugwerft, der VEB Elektromat, der VEB Luft- und Kältetechnik und anderer Betriebe weiter genutzt, erweitert und umgebaut werden. Selbst die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten am 3.10.1990 und die radikale Privatisierung und Zerschlagung aller volkseigenen Betriebe in den 90-er Jahren durch die Treuhand konnten den drei Flugzeughallen nichts anhaben.

Die Betriebsleitung des VEB Flugzeugwerft schaffte es, die Werft 1992 in eine GmbH zu überführen, damit daraus die DASA Flugzeugwerke und später das erfolgreiche Elbe Flugzeugwerk entstehen konnten.

Damit zeugen die zwei ehemals größten freitragenden Hallen Europas immer noch von der Leistungsfähigkeit der Dresdner Luft- und Raumfahrt.

Aus der Halle 219 ist ein luxuriöses Terminal II des Flughafen Dresden International entstanden und die Halle 222, mit mittlerweile vielen attraktiven Anbauten, ist das Herzstück der Elbe Flugzeugwerke Dresden GmbH. Auch die Halle 218, ehemals die Halle für Druck- und Festigkeitsprüfungen an Flugzeugrümpfen, ist fester Bestandteil der heutigen IMA Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH Dresden. Selbst das größte Passagierflugzeug der Welt, der Airbus A 380, war in der IMA zur Dauerfestigkeitsprüfung.

Der wichtige Termin des Erstfluges am 4. Dezember 1958 setzte Maßstäbe für die Flugzeugbauer in der DDR.

Die große öffentliche Podiumsdiskussion am 5.12.2023 im Flughafen Dresden International soll dabei an das 65. Jubiläum dieses Erstfluges am 4.12.1958 erinnern. Sie steht unter Schirmherrschaft des Landesverbandes Sachsen des VDI (Verein Deutscher Ingenieure). In Begleitung von Wissenschaftlern der TU Dresden und Braunschweig und Fachleuten des Flugzeugbaues und der zivilen

Luftfahrt soll informiert und diskutiert werden, wie der deutsche Flugzeugbau und die zivile Luftfahrt auf die nahe Zukunft unter den strengen Umweltbedingungen vorbereitet sind.

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